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Aber bitte mit unbedruckter Rückseite (aus Schrot & Korn 10/2012)

 

Kolumne

Fred Grimm, Autor von „Shopping hilft die Welt verbessern“, schreibt hier über gute grüne Vorsätze – und das, was dazwischenkommt.

 

Fred GrimmZu den angenehmen Seiten meines Berufes gehört das Schreiben von Rechnungen. Schade ist natürlich, dass da nie besonders hohe Summen stehen. Aber ich will nicht klagen. Neulich klingelte bei mir das Telefon und die Honorarabteilung eines Verlagshauses war dran. Sie besteht, „wegen des Finanzamts“ darauf, dass man seine Honorarforderungen auf Papier einreicht und nicht per Mail. „Herr Grimm, ich rufe Sie wegen Ihrer Rechnung an.“ Oje. Hatte ich eine Null zu viel geschrieben? Oder ist dieser Verlag jetzt auch noch pleite und bittet mich um eine kleine Spende? „Sie müssen die Rechnung leider noch einmal schreiben.“ Ich bildete mir ein zu hören, wie die Dame mein Schreiben zusammenknüllte. „Schicken Sie uns die bitte auf RICHTIGEM Papier? Auf einem Blatt mit UNBEDRUCKTER Rückseite, bitte?!“

 

Da war es wieder, dieses unbehagliche Gefühl, das mich umtreibt, seit ich einmal in der abgelegten Trainingshose meines Vaters in der Schule erschienen war. Die Hose sah scheußlich aus, war aber bequem, weil ich damals – ich ging in die fünfte Klasse – wohl dreimal hineingepasst hätte. Natürlich lag ich damit modisch nicht gerade vorn, aber mir leuchtete nicht ein, warum ich ein so gemütliches und praktisches Kleidungsstück nicht anziehen sollte. Ich bildete mir sogar ein, damit einen Trend gesetzt zu haben, der sich aber außer im Berlin-Neukölln der späten achtziger Jahre dann eher doch nicht durchsetzen sollte. Wenn man heutzutage als akzeptiertes Mitglied unserer Gesellschaft durchs Leben gehen will, ist es nicht leicht, sich diesen Hang zu pragmatischer Sparsamkeit zu bewahren: Beim Ausdruck von Rechnungen oder Manuskripten die freien Rückseiten von Werbebriefen verwenden. Beim Sport das T-Shirt mit dem kleinen Loch anziehen. Beim Kochen etwas aus Resten zaubern. Das Licht ausmachen, wenn man den Raum verlässt. Im Herbst einen dickeren Pullover anziehen anstatt die Heizung aufzudrehen. Kein Auto haben. Ausgepackte Kartons oder Umschläge mit neuen Adress-aufklebern versehen und noch mal verschicken. Man kommt sich dabei etwas schrullig vor und ziemlich alt (obwohl ich schon als Kind so seltsam war). Wie jemand, der die Segnungen des modernen Lebens noch nicht begriffen hat.

 

Alles gute Sachen

 

Nachmittags komme ich oft an einer Kiste vorbei, die der Obsthändler meines Vertrauens vor seinen Laden stellt. Darin liegen „zum Mitnehmen“ sehr reife Bananen (Milkshake!), angeditschte Tomaten (Soße!) oder krumme Möhren, die es nicht mehr in die Einkaufskörbe schaffen würden. Der Händler, der aus einem ärmeren Land kommt als Deutschland es je war, wundert sich darüber, dass so gut wie niemand zugreift. „Das sind doch alles noch gute Sachen!“ Ich nicke dann immer, aber ich traue mich auch nicht und weiß eigentlich nicht genau, warum. Außerdem muss ich noch „sauberes“ Papier besorgen. Für die nächsten Rechnungen.

 

Letzte Änderungen: Donnerstag, 21. November 2013, 11:47 Uhr